Ich war erfrischt und sogar meine Schuhe waren, dank Lesleys Hilfe, wieder vollkommen trocken. Zunächst war der Himmel noch etwas grau, aber nachdem ich den kurzen Weg von meiner Herberge der letzten drei Tage zur Hafenstadt Campbeltown absolviert hatte, riss der Himmel auf und es kam seelenwärmender Sonnenschein zum Vorschein. Das war auch dringend notwendig.

Alles, was ich in den letzten Tagen über radlerische Herausforderungen der vertikalen Art geschrieben habe, sollte heute Makulatur werden. Dass diese Etappe eher herausfordernd werden würde, war mir bei der Planung schon klar geworden. Das Relief erinnerte nicht nur entfernt an eine Achterbahn, wenngleich immerhin ohne Looping. Daher nahm ich die ersten Anstiege noch relativ gelassen und in sehr kleinen Gängen zur Kenntnis. Die Kulisse war immerhin wundervoll, die Wege weitgehend frei von Schlaglöchern und auch das Verkehrsaufkommen (wer bei WDR 4 ist eigentlich auf die Idee gekommen, Taxi Knosowski durch diese halbgare Tankstellen-Comedy zu ersetzen? J’accuse!) war sehr überschaubar.

Aber im Laufe des Tages zerrte das permanente Auf und Ab doch an Oberschenkeln und Nerven. Allerdings darf ich festhalten, dass ich noch vor einer Woche nicht gedacht hätte, dass ich diese Hügel mit all dem Gepäck würde überwinden können. Ja, im kleinen Gang und mit äußerst überschaubarem Tempo und manchmal frage ich mich, ob das noch Radfahren ist, wenn der rüstige Renter mit seinem Gehwagen mich milde lächelnd überholt und fragt, ob er was nach oben mitnehmen soll. Aber: Ich fahre. Und jedes Mal, als ob ich sie dort hinbestellt hätte, treffe ich ausgerechnet auf den Spitzen der steilsten Hügel Leute, die dort angehalten haben, um Fotos zu machen, die mich dann auch pflichtschuldig, mitleidig, kopfschüttelnd und doch immerhin lächelnd anfeuern und beteuern, dass sie nicht auf die Idee gekommen wären, mit so viel Gepäck diesen Berg hochzuradeln.

Zu meiner Mittagspause war ich dann derart erschöpft und kein Ausflugslokal zum Zwecke des Kalorienausgleichs in Reichweite, so dass ich mich irgendwann an den Straßenrand setzte, meinen Campingkocher auspackte und mir ein köstliches Reisgericht mit Avocado zubereitete. Avocado ist auch mal wieder so ein Trend, wie Mettigel, Sandwichtoaster, Gin. Ich habe neulich eine Dokumentation gesehen, die die Bemühungen eines mexikanischen Dorfes, das sich der Avocadozucht verschrieben hat, die Übergriffe der organisierten Kriminalität abzuwehren, zeigte. Beeindruckend, wie hochgerüstet deren Waffenarsenal war, nur, um diese braun-grünen Früchte ernten und rechtschaffen verkaufen zu können. Also an dieser Stelle: Danke, für die harte Arbeit! Ich weiß es zu schätzen, aber vermutlich nicht mal ansatzweise genug.

Als der Tag und die Etappe sich langsam aber sicher dem Ende zuneigten, passierte ich das pittoreske Hafenstädtchen Tarbert und nahm dort auf‘s Wasser starrend noch ein Häppchen zu mir.

 

Auf dem Campingplatz in Lochgilphead saß ich dann nach etlichen Höhenmetern und einem langen Tag zunächst mal ein paar Minuten apathisch in der Gegend herum, bevor ich mir meine Behausung für die Nacht errichtete. Was für ein Tag!

Diesem Tag verleiht cycgo den Wilde-Maus-Gedächtnis-Preis in Silber für herausragende Verdienste auf dem Gebiet des Auf und Ab.

Interessantes für die Sammlung unnützer Wissensfetzen: Der besonders professionell gestaltete Wäscheaufbereitungsbereich des Campingplatzes in Lochgilphead wurde von den Einwohnern des Dorfes als offizieller Waschsalon genutzt. Bis kurz vor 10 (dann ist ja auch wirklich mal Nachtruhe auf dem Campingplatz!) hielten permanent Autos vor der Hütte, deren Fahrer dann mit Säcken oder Körben ausgestattet die Hütte betraten und die gigantischen Trockner von ihrer Ladung befreiten.

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