So ganz genau weiß ich gar nicht mehr, warum ich so unbedingt zu diesem Golfplatz fahren wollte. Der Name taucht mehr oder weniger immer auf, wenn es um großartige schottische Links-Golfplätze geht, die nicht auf der sogenannten Open Rota sind oder waren. Dazu gehören dann vor allem Dornoch und Cruden Bay, sicher North Berwick West und dann auch immer wieder der Platz mit dem Namen, den ich mir erst vor kurzem auf der Tastatur einprägen konnte, den ich aber sicher immer noch nicht halbwegs fehlerfrei aussprechen kann.

Ganz sicher habe ich von diesem Kurs auch in dem schon beschriebenen Buch von Michael Bamberger, To the Linksland, gelesen und tatsächlich ist dann auch ein Zitat aus seinem Buch über der Bar im Clubhaus angebracht: „Wenn ich nur noch einen Platz bis zum Ende meines Lebens spielen dürfte, dann wäre es Machrihanish.“ Das ist ja mal eine starke Aussage.
Doch kurz zurück zum Vorabend. Ziemlich durchnässt von gerade einmal 5 km von der Fähre zum B&B kam ich also an diesem verwunschen, aber einladend wirkenden Haus an. John, Vermieter, Teil 1, steht schon in der Haustür und hilft mir umgehend dabei, meinen kompakten Gepäckberg vom Fahrrad zu holen. Lesley, Vermieterduos zweiter und im weiteren Verlauf sichtbarer Teil, kommt direkt dahinter, und nimmt die Gepäckstücke nach innen an. Ein wunderbarer Empfang. Mein Zimmer ist wie alle Gästezimmer im ersten Stock gelegen, geräumig und aufgeräumt, mit einem Regal voller Bücher – von Harry Potter über biologische Fachliteratur bis zum Guinness Buch der Rekorde von 2013 gibt es eine gehörige Bandbreite – ausgestattet. Und vor allem gibt es eine heiße Dusche und stabiles WLAN, die Grundversorgung ist also mehr als gesichert.
Leider ist der kommende Tag ziemlich von Regen gezeichnet. Für den späten Nachmittag ist ein Zeitraum vorhergesagt, an dem der Regen etwas schwächer werden soll. Also sieht der Tagesplan so aus, dass ich nach einem reichhaltigen schottischen Frühstück eine lange Zeit auf meinem Zimmer entspanne, tatsächlich dem Guiness Buch der Rekorde nach vielen Jahren Aufmerksamkeit widme (Die Schokoladenrekorde klangen gar nicht so sehr aus der Welt. Sollte ich mich hier versuchen?) und dann gegen 14 Uhr in Richtung Golfplatz aufbreche, um dort ein Mittagessen einzunehmen.
Der Weg dorthin ist eine übersichtliche Fahrradtour von 25 Minuten. Ich hoffte, dass die Wettervorhersage stimmen würde, denn bis dahin hatte der Regen nicht nachgelassen. Triefend kam ich am Club an und der erste Eindruck erreichte mich nicht so richtig. Durch das Panoramafenster der Bar konnte ich den spektakulären und vielgepriesenen ersten Abschlag sehen, aber halt nur, wenn ich mich sehr konzentrierte, denn der Blick war schon ziemlich trüb.

An die Wetterbedingungen angepasst war der Service in der Bar irgendwie reserviert. Vielleicht, dachte ich irgendwann, lag das auch an meiner rotgesichtigen Abgekämpftheit oder gar an meinen Turnschuhen? Dieser Gedanken kam mir, als ich in einem dort ausliegenden Golfmagazin eine Kolumne dazu gelesen hatte, dass überraschenderweise nicht die Welt untergegangen sei, als der Autor kürzlich mal mit Laufschuhen in einen Golfclub ging. Daran hatte ich vorher noch gar nicht gedacht, dass bei der Auswahl meiner Fußmode potentiell offensives Potential liegen könnte. Na ja, aber ich interpretiere viel zu viel: Im Grund war die Bedienung sehr freundlich und als ich sie später bei ihrer Pausenzigarette bei meinem Fahrrad traf, haben wir uns auf das Netteste unterhalten.
Zurück zum 1. Abschlag. Dieser ist weltbekannt dafür, dass er über den Strand zum Atlantik geschlagen werden muss. Ich bin mir nicht sicher, ob es eine Linie gibt, die, vielleicht abhängig von der Tide, auch direkt über den Atlantik zum Fairway führt. Vielleicht mit einem sehr weiten Slice? Jedenfalls war mir stark daran gelegen, diesen ersten Abschlag so konzentriert und kontrolliert wie möglich auszuführen. Was soll ich sagen? Das gelang vortrefflich! Ein wunderbar leichter und geschmeidiger, fast katzenhaft dahingeschmeichelter gerader Drive fand die Mitte der Spielbahn.

Eine große Zufriedenheit erfasst mich und sofort verstand ich: Ja, das hier ist ein toller Platz! Leider blieb dies dann der einzige auch nur halbwegs vernünftige Schlag für lange Zeit. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann mich das letzte Mal ein Platz so konsequent daran erinnert hat, dass Golf nun definitiv keine Beschäftigung ist, der ich meine Aufmerksamkeit widmen sollte, denn Talent hätte ich ja nun wirklich keines dafür. Kein Bahn, an der ich nicht mindestens einmal meinen Ball suchen musste, kein Grün, auf dem ich nicht völlig aufgeschmissen war, wenn es galt, Länge oder Gefälle abzuschätzen. Ein totales Desaster. Spätestens, als ich auf einem an sich machbaren Loch, es war die 13, glaube ich, zunächst 4 Bälle und dann auch noch die Hülle meines Putters verlor, gab ich den Versuch, meine Schläge zu zählen, endgültig auf. Ich war ohnehin schon nach der Hälfte der Runde körperlich ein Wrack. Wenn ich normalerweise meine Mitspieler damit nerve, dass man eine Runde ja wohl gut auch in 2,5 Stunden spielen könne, war ich hier nach dieser Zeit ungefähr auch Loch 11 angekommen. Wohlgemerkt musst dabei keine Sekunde auf die Spieler vor mir warten, sondern mein mehr als erratisches Spiel sorgte für diesen Verlauf. Nach knapp 4 Stunden erreichte ich endlich die letzte Spielbahn und als wollte mich der Golfgott verhöhnen, schickte er mir zum Abschluss noch einen wunderbaren Chip aus 45 Metern, der durch einen ansehnlichen Graben vor dem Grün lief und ungefähr 30 cm neben der Fahne zum Stillstand kam. Was für eine Runde! Und was hatte ich bei dieser golferischen Katastrophe für einen Spaß!

Der Platz ist unglaublich in seiner Natürlichkeit, völlig ausgesetzt den Launen der Natur. Wenn hier ein Wind geht, was direkt neben dem Ozean gelegentlich vorkommt, dann trifft er voll. Regnet es, dann gibt es weit und breit keinen Schutz. Spiel deinen Ball halt einfach weiter! Fest nahm ich mir vor, am nächsten Tag wiederzukommen und mich mit halbwegs brauchbarem Spiel bei dem Platz zu verabschieden, so dass wir beide eine guter Erinnerung aneinander haben würden.

Tatsächlich präsentierten sich die Umstände am kommenden Tag völlig anders. Zwar war permanenter leichter Regen mein Begleiter, aber der Wind war kaum als solcher zu bezeichnen und daher war ich auch nicht nur willens, sondern auch in der Lage, einen halbwegs brauchbaren Verlauf zu gestalten. Hätte ich dies nicht geschafft, dann wäre ich wohl so lange jedes Jahr wiedergekommen, bis ich eine einigermaßen kompetente Runde gespielt hätte.
Das wäre aber allein schon deshalb ein willkommene Herausforderung, weil es mich zuverlässig immer ins wunderbare Oatfield House bringen würde. Danke, Lesley und John, für eure Gastfreundschaft. Selten habe ich mich in einem B&B so zu Hause gefühlt, wie hier. Sie betreiben übrigens auch die sehenswerte Seite mullofkintyre.org, die Informationen und Fotos zu Landschaft, Tierwelt und natürlich dem berühmten Song von Sir Paul McC präsentiert. „Mull of Kintyre, oh mist rolling in from the sea…“

Der nächste Stop ist nun Lochgilphead. Das wird – so viel sei schon verraten – eine echte radlerische Herausforderung.

Für diesen Platz wird auf jeden Fall die goldene Wandergolfertrophäe auf Marmorsockel (Sockel? Sockel? Ich glaube, es hackt! Aber ganz kräftig!) verliehen.

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