Der Adrenalinpegel war nach dem dezenten Wecker des Morgens auf einem leistungsförderndem Niveau, der Radtag konnte also beginnen. Heute stand die Strecke Tain – Inverness – Nairn auf dem Programm.
Die ersten 20 Minuten hegte ich ein wenig die Befürchtung, dass ich den Tag auf der A9 verbringen würde. Wer schon mal hier oben war, der weiß, dass die Straße die infrastrukturelle Hauptschlagader der Highlands ist. Entsprechend stark wird sie von LKW frequentiert. Nach dem bisherigen Verlauf kann ich zwei Dinge konstatieren: 1. Die LKW-Fahrer gehen auf den Landstraßen zu sehr großen Teilen umsichtig vor, wenn sie einen Radfahrer – oder jedenfalls mich, möglicherweise erkennen sie mich aufgrund der Gepäckmengen als einen der ihren an – überholen und 2. es macht dennoch überhaupt gar keinen noch so kleinen Spaß, von einem LKW überholt zu werden. Sie sind zu groß, zu laut und erzeugen viel zu viel Wind und Sog. Es ist mir fast unmöglich ein gewisses Maß an Schlingern zu verhindern, wenn ich von einem Laster überholt werde. So viel der Vorrede, so wenig der Notwendigkeit: Nach wenigen Kilometern führte mich meine App nach rechts und bis zur Kessock Bridge in Inverness waren es fast 60 km in wunderbarer Abgeschiedenheit fern von jeglicher Hauptstraße. Ob es das schöne Wetter, der gute Straßenverlauf, möglicher Rückenwind oder das Morgenadrenalin waren kann ich nicht mit Sicherheit sagen, aber es war eine sehr bekömmliche, schnelle Etappe. Es rollte einfach, gefühlt auch bergauf.
Nachmittags kam ich dann nach Inverness, überquerte die große Brücke in der deutlich einfacheren Richtung und wie aus heiterem Himmel war es das dann mit Entspannung. Die App fing urplötzlich an zu spinnen und ließ sich nur durch einen Telefonneustart wieder zur Besinnung bringen. Dann wurde die äußerst fahrradtaugliche Strecke des bisherigen Tages durch einen -glücklicherweise recht kurzen- Abschnitt entlang der hier zweispurigen und für hiesige Verhältnisse enorm stark und schnell befahrenen A9 kontrastiert. Auch wenn ich mittlerweile ziemlich sicher auf meinem Stahlross unterwegs bin: Hier war ich sofort unter Strom. Es folgte ein unübersichtlicher Streckenverlauf Richtung Osten. Als ich es nun endlich wieder in einen ruhigeren Bereich geschafft hatte, machte meine Gangschaltung nur wenige Schaltvorgänge später plötzlich ein unerfreuliches und klägliches Geräusch und das war es dann mit einem unbeschwerten Wechsel zwischen den Zahnrädern. Ich versuchte mich noch zweimal an der Justage des Umwerfers, aber nur mit mäßigem Erfolg. Noch ungefähr 20km waren bis nach Nairn zu bewältigen. Da sie glücklicherweise nicht sonderlich anspruchsvoll waren, konnte ich sie mit den verbleibenden Optionen zwar genervt, aber doch erfolgreich absolvieren. Offensichtlich ging es mir dabei noch so gut, dass ich darauf verzichtete, direkt den nächsten Campingplatz, der Teil des für mich bereits bewährten Camping-and-Caravaning-Club-Netzwerks war, anzusteuern und lieber noch 3km weiterfuhr, um näher am Ort zu sein. Dort fand ich einen ziemlich aufwändigen Campingplatz, der sich eher als eine Art Dorf für Mobilheime beschreiben lässt. Es hätte hier eine ganze Menge an Unterhaltungsoptionen gegeben: Kino, Schwimmbad, Fitnessraum, ein größeres und stark frequentiertes Restaurant. Doch keine davon sprach mich an diesem Abend auch nur im Entferntesten an.
So stellte es sich dann auch als ziemlich überflüssig heraus, dass ich noch ein paar Zusatzkilometer gemacht hatte, denn nachdem das Zelt aufgebaut war, legte ich keine 30m mehr zurück. Die Tatsache, dass ich für die nur spärlich begraste Stellfläche für mein Zelt, die, wie sich in der Nacht herausstellen sollte, rund um die Uhr durch die kaum zu ignorierende Geräuschkulisse der nahen Industrieanlage (aus der Google Maps-Perspektive könnte es sich um eine Wasseraufbereitungsanlage gehandelt haben) als nur wenig schlafförderlich herausstellte, fast 20€ zu zahlen hatte, zahlte auf mein Nun-Aber-Wirklich-Tag-Wir-Waren-Doch-Mal-Freunde-Und-Jetzt-Das-Konto ein.
Am nächsten Morgen wachte ich dann auch nur mäßig erfrischt auf. Ich begann den Tag mit einem weiteren Reparaturversuch an der Gangschaltung. Ich hatte nun etwas mehr Erfolg, so dass ich wenigstens einigermaßen zuverlässig zwischen hohen und tiefen Gängen wechseln konnte. Auch wenn mich das mit einen gewissen Maß an Zufriedenheit erstarken ließ: Ich hatte überhaupt keine Lust mehr, an diesem an sich sehr schönen und mit einem großartigen und einem weiteren ganz guten Golfplatz gesegneten Ort zu verweilen. Es drängte mich weiter und ich hoffte, dass ich in dem knapp 50km entfernten Lossiemouth fahrradtechnische Unterstützung finden würde, die es in Nairn offensichtlich nicht zu geben schien.
Dass ich sowohl Dornoch, als auch Nairn golferisch verschmähte, gab mir irgendwie zu Denken. Es ist vollkommen außer Frage, dass die beiden Plätze echte Perlen sind, aber sie schienen mir irgendwie dennoch nicht attraktiv genug. Vielleicht konnte ich mir in Lossiemouth, das im und um den Moray Golf Club mit seinem Old- und New-Platz ebenfalls den Geist des Spiels versprüht, wieder etwas mehr Lust am Spiel verschaffen?
Der Tag jedenfalls bekommt eine gemischte Tüte für ne Mark – auch mit Lakritz. Ich mag kein Lakritz.
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