Wie würde es wohl werden heute. Golf und ich treffen uns wieder, fast zwei Tage haben wir uns nicht gesehen. Wir verabredeten uns am siebtältesten Golfclub der Welt.

Wie schon gesagt ist Fraserburgh eine Stadt mittleren Ausmaßes für die Verhältnisse der schottischen Highlands. Moment einmal: In meiner völlig egozentrisches Art und Weise, ausschließlich auf mich und mein Fortkommen bezogen, nicht nach rechts, nicht nach links schauend, habe ich völlig übersehen, dass ich die Highland schon vor zwei Tagen verlassen hatte. Ungefähr an der Stelle, an der mich meine Gangschaltung kurzzeitig verließ, verläuft die Grenze zwischen den High- und den Lowlands. Das ändert aber nun gar nichts daran, dass die Städte hier weder groß noch zahlreich sind. Im Gegensatz zur Einschätzung der Hotelmanagerin fand ich die Stadt an diesem grauen, rauen und windigen Freitag sehr lebhaft vor und rollte erst einmal ein wenig durch die Straßen. Ich war auf der Suche: Nach einem Waschsalon und nach einem Frühstückscafé. Das Leben ist ziemlich berechenbar, wenn man eine längere Radtour macht und weder das Wetter noch die technische Ausrüstung besonders tolle Kapriolen schlagen: Essen, trinken, schlafen, waschen. Da Schlafen in der letzten Nacht in einem Raum mit festen Wänden, einem guten Bett und ohne weitere Mitbewohner stattfand, war dieser Punkt abgehakt. Was das Erledigen der - bei fahrradtauglich wenig mitgeführtem Gepäck - häufigen Kleidungswäschen anging, war die Infrastruktur auf den bisher angesteuerten Campingplätzen sehr gut. Eigentlich immer gab es sowohl Waschmaschine als auch Trockner. Überraschenderweise war es mir dann nicht möglich, in Fraserburgh einen Waschsalon zu finden. Oder wenigstens keinen, in den ich mich hineintraute, denn Paddy’s Suds hatte ich nach wenigen Minuten gefunden, aber irgendwie konnte ich mich nicht dazu durchringen, die rote Tür zu öffnen:

Auch wenn es auf dem Bild nicht so aussieht, schien Paddy durchaus Seifenlauge angerührt zu haben, aber mein Zutrauen in die Mischung war einfach nicht groß genug. Na, dann hieß es also noch ein, zwei Tage mit der leidlich sauberen Restwäsche auskommen.
Wesentlich leichter war dann schon das Finden eines Cafés, denn direkt neben meinem Hotel, dessen Frühstücksservice ich erst am nächsten Morgen in Anspruch nehmen würde, gab es ein nettes, eher den Studenten des Ortes gewidmetes Café. Wie so häufig in letzter Zeit saß ich dort, aß, trank und schrieb. Nachdem das kreative Tagewerk vollbracht war, machte ich mich dann auf zum Platz.

Von Regen war keine Spur zu sehen. Ebenso unsichtbar war der Wind, was ihn allerdings nicht davon abhielt, ziemlich konstant und heftig zu wehen. Das war bereits ein kleiner Vorgeschmack auf die kommenden Tage, die mit diesem Element zum Teil äußerst interessant gemacht wurden. Auf dem Weg zum Platz – fast schon langweilig: Schon wieder mal hatte James Braid seine Finger im Spiel, 1922 überarbeitete er das Platzdesign, das bis heute nahezu unverändert Bestand hat – hatte ich den Wind im Rücken, immer eine angenehme Sache für den Radfahrer. Auf dem Platz sorgte die wechselnde Spielrichtung dann allerdings für wechselnde Gefühle dem himmlischen Kind gegenüber.

Der Club, der sich -von mir mal wieder in völligem journalistischen Desinteresse unüberprüft, aber voller Vertrauen zitiert- rühmt, der siebtälteste Golfclub der Welt und der fünftälteste in Schottland zu sein und sich dabei auf das Golfmuseum in St. Andrews beruft, hat 2004 sein Clubhaus samt aller historischer Aufzeichnungen bei einem Brand verloren. Nun versucht man dort, nachdem das Clubhaus – das ich bei flüchtiger Betrachtung für gar nicht so neu gehalten hätte – wieder erfolgreich aufgebaut worden ist, durch Recherche in Archiven so viel wie möglich zu rekonstruieren. Immerhin konnte dabei die Gründung auf den 14. April 1777 datiert werden, mittels Dokumenten aus der Schottischen Nationalbibliothek in Edinburgh.

Der Platz ist ein sehr ordentlicher Vertreter der Gattung Links. Das erste und das 18. Loch werden vermutlich niemals einen Preis für Originalität erhalten, aber die restlichen 16 Bahnen sind äußerst unterhaltsam. Diese sind von den erstgenannten durch einen Hügel, Corbie Hill, getrennt oder besser gesagt macht dieser Hügel den Charakter vieler Bahnen erst aus. Lustig dabei ist, dass ausgerechnet die erste Bahn, die – abgesehen davon, dass man den Hügel sieht – gar nichts mit der Erhebung zu tun hat, den Namen „Corbie Hill“ trägt.

Vielleicht hat man sich gedacht: Es könnten so viele Bahnen den Namen tragen, da wollen wir lieber vermeiden, dass sie sich hinterher streiten und geben einer ganz anderen diese Bezeichnung.
Es geht jedenfalls auf den Hügel hinauf (Bahn 2, 4, 8), herunter (Bahn 3, 9) oder an diesem vorbei, was angesichts der Windverhältnisse ein entscheidender Punkt war, denn der Hügel beeinflusste den Luftzug wesentlich. Die Grüns des Platzes waren ebenfalls alles andere als langweilig, gestuft, erhöht, mit abfallenden Kanten versehen und zudem – was aber tatsächlich kaum einer Erwähnung wert ist, weil hier halt einfach üblich – gut gepflegt und treu zu spielen. Ein wirklich empfehlenswerter Platz, der zudem zu fairen Preisen zu spielen ist, vor allem dann, wenn man genug Golfbenzin im Tank hat, um mehrere Runden zu spielen, denn das Tagesticket war gerade mal 10 Pfund teurer als die einzelne Runde.

Für mich war aber genau das der Wermutstropfen: Mein Tank war ziemlich leer. Schwer zu sagen, wie es an einem weniger windigen Tag ausgesehen hätte. Aber an diesem Tag, an dem sogar das Putten schwer fiel, weil der Ball nicht ruhig liegen blieb und das Dröhnen in den Ohren das Urteilsvermögen in Sachen Richtung und Geschwindigkeit trübte, war ich schon nach zwei Dritteln der Runde sicher, dass ich keine zweite oder gar dritte zu spielen im Stande war. Die Zweifel, die mich in den letzten Tagen in Sachen Golf überkamen, wurden bestätigt. Im Grunde war ich aber wohl einfach nur körperlich ermüdet nach den vergangenen Wochen, die zwar Unmengen an Spaß gebracht hatten, aber eben auch eine ordentliche Belastung für meinen Nicht-Gerade-Hochleistungssportler-Körper darstellten. Wer mein Golfspiel kennt, der mag jetzt denken: Für die knapp 100 Meter, die ich mit dem Driver schlage, brauche ich meinen Körper doch eh nicht. Scheinbar wohl doch. Ganz sicher aber: Ich fuhr vom Golfplatz noch schnell an einem Tesco vorbei, kaufte ein Sortiment an salzigen, süßen und fruchtigen Leckereien und verbrachte den Rest des eher ungemütlichen Tages geschafft, aber gleichwohl frohgemut auf meinem gemütlichen Hotelbett und sah mir durchaus leichte Kost im Fernsehen an, die mich bestens unterhielt.

Dem Tag verleihe ich feierlich den Phönix-Preis für einen Club, der aus der Asche kam. Er konnte wirklich nichts dafür, dass ich ihn nicht ins Herz schließen konnte. Ich komme nochmal wieder, versprochen.

Kommentare   

#2 Stefan L. 2018-10-09 05:20
Wer hätte gedacht, dass zwischen Dich und das Golf jemals etwas dazwischen gepasst hätte? Ich kann nicht verhehlen, dass ich Deinen nächsten Berichten entgegenfiebere, wie es meiner Frau bei der Lektüre ihrer Highland-Saga gegangen sein mag. Und ich bin sehr gespannt, wie diese "Liebesgeschichte" weitergeht...
#1 Marco 2018-10-02 14:00
Ich hätte ja nun gar nicht damit gerechnet, dass ausgerechnet eine pausierende Golf-Freundschaft eine Erkenntnis Deiner Reise sein könnte. Bin gespannt, welche weiteren neuen Einsichten und Ideen Du nach Hause bringen wirst.

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