Logischerweise gab es auch heute noch den zweiten Teil der Rückreise nach Thurso. Dieser begann etwas früher, als meine sonstigen Reisetage.
Der Grund dafür war, dass meine Gastgeberin pünktlich um 9 Uhr aus dem Haus musste, da sie noch zwei weitere Jobs benötigt, um ihr erst seit diesem Jahr bestehendes B&B überhaupt bezahlen zu können. Das ist mal Einsatz! Da es hier ein wirklich entspannter Aufenthalt war: Sollte ein Leser mal in der Gegend sein und noch keine Unterkunft habe, dann kann ich das Carbata B&B absolut empfehlen. Ein schöner Wintergarten zum Rumsitzen und Lesen, Nachdenken oder Klönen, ein gutes Bett, hell eingerichtete Räume, lebhafte Konversation mit der Gastgeberin, ein gutes Frühstück und ein stabiles WLAN. Was will der Reisende mehr? Mir hat es jedenfalls sehr gefallen. Und mein Rad war um kurz nach 9 beladen und ich auf der Straße. Wenige Minuten später kam ich am Hotel in Bettyhill vorbei. Und gleichzeitig am Grund für die Auslastung des selbigen und mein Herz ging auf: Der nachtigallene Gesang von Stimmen aus dem Ruhrgebiet. Endlich normale Leute… ganz passend kam mir die Betreiberin des örtlichen kleinen Ladens dann auch mit Bier aus ihrem Lager entgegen und erklärte mir sofort, dass sie normalerweise am Freitagmorgen andere Getränke zu sich nähme, was ich aber sogleich in Frage stellte. Wir hatten beide unseren Spaß.
Die weitere Fahrt nach Thurso war weitgehend frei von Besonderheiten. Bis ich den Golfplatz in Reay passierte. Der war mir bis zu meiner Hinfahrt völlig unbekannt und ich war der irrigen Meinung, dass der Platz in Wick der nördlichste 18-Loch-Platz auf dem Festland sei. Nun ist das aber leider eine völlig falsche Annahme, weil sowohl Reay als auch Thurso weiter nördlich liegen und 18-Loch-Plätze vorweisen können. Und beide Clubs behaupten auf ihren Webseiten, dass sie den nördlichsten hätten. Vielleicht ist mal die Position des Clubhauses und mal der nördlichste Ausläufer des Platzes gemessen worden. Vielleicht liegt die Betonung bei Reay auch auf Links-Kurs, da dieser deutlich eher diese Charakteristika aufweist.
Schaut man sich die beiden Plätze auf Google Maps an, dann meine ich, das Thurso ein wenig weiter nördlich ist. Ist aber ja auch eigentlich egal, zurück zu meiner Geschichte. Als ich den Reay Club gerade anrollte, um im dortigen Clubhaus eine schottische Brause zu trinken, sah ich, dass ein anderer Radfahrer gerade ebenfalls die Anlage ansteuerte. Wir kamen natürlich sofort ins Plaudern, denn er meinte, er sei nicht nur Radler sondern auch Golfer. Als ich ihm dann von meinem Reisekonzept erzählte und auf meinen Gepäckträger zeigte, war seine Be- und Entgeisterung recht groß. Er machte sofort Fotos von mir, sagte, dass das seine Kumpels ja sonst nie glauben würden und dass die Geschichte umgehend bei Facebook landen würde. An dieser Stelle die Bitte: Sollte cycgo mittlerweile eine virale Sensation sein und große Teile des Facebook-Traffics ausmachen, dann möge man mir das doch bitte mitteilen. Vielleicht per E-Mail oder Fax. Ich habe doch immer noch keinen Facebook-Account.
Das Clubhaus stellte sich dann als unbesetzt heraus, was angesichts des völlig leeren Platzes auch betriebswirtschaftlich sinnvoll erschien. Wirklich nett fand ich dann aber den Aushang, der die Clubmitglieder dazu aufrief, sich doch bitte zu melden, wenn Interesse daran bestünde, die Bar vielleicht gelegentlich für ein paar Stündchen zu beaufsichtige. Eine Einweisung würde selbstverständlich noch erfolgen. Ich nutzte die kurze Pause, um einen Reservierung für mein Rad für die Bahnfahrt von Thurso nach Brora zu machen und rollte dann langsam weiter zum Bahnhof.
Dort wollten dann zwei Stunden vertrödelt werden, bis der Zug kam, was ich erfolgreich mit einem kleinen Happen erledigte. Als ich dann wieder am Bahnhof ankam, war dort noch ein anderer Radler: Mein Golf-Rad-Kollege von eben. Es gab ein großes Hallo und die restlichen 20 Minuten waren mit Golfanekdoten schnell verplaudert.
Im Zug trennten sich unsere Wege, da wir nur noch voneinander entfernte Hängeplätze für unsere Räder fanden. Ich half nach erfolgreichem Einsteigen in den Zug noch einer jungen Dame mit ihrem Gepäck. Aus dem deutschsprachigen Aufdruck auf ihrem T-Shirt schloss ich in Sherlock-Holmes-artiger Präzision, dass sie vermutlich mit mir die Muttersprache teilt. Tat sie und wir quatschten bis Brora. Sie hatte gerade den letzten Tag eines halbjährigen Praktikums hier im Norden beendet und war just auf der Heimreise. Während ihres Praktikums kümmerte sie sich um eines der wichtigeren Themen unserer Zeit: Den Plastikmüll in unseren Meeren. Nun wollte sie nach ihrem Bachelor in Umwelttechnik ihren Master machen. Dem Gespräch schnell eine thematische Ausrichtung gab, dass sie aus der Nähe von Chemnitz kam und nun zum Masterstudium nach Dresden ging. Sie meinte, dass sie schon ein mulmiges Gefühl dabei hätte, denn während Leipzig, wo sie ihren Bachelor gemacht hätte, politisch relativ aufgeklärt wäre, würde sie Dresden als schwierig empfinden. Ich kann nur hoffen, dass unsere Diskussion vielleicht wirklich dazu beitragen konnte, dass sie sich politisch engagiert und sage: Wenn es in Sachsen mehr Leute wie sie gibt, dann ist alles nicht so schlimm, wie ich es gerade empfinde. Dann ist das Wissen um die Grundwerte Deutschlands auch in Sachsen nicht verschwunden und es gibt auch dort Menschen, die von Innen heraus in die richtige Richtung steuern können. Das ist ja eigentlich nicht überraschend, aber manchmal tut es einfach gut, wenn man es auch am Beispiel erleben kann.
In Brora angekommen fand ich schnell den Zeltplatz und – wie wunderbar – ich konnte einmal mehr direkt neben dem Golfplatz das Zelt aufschlagen. Nur durch einen Zaun war ich von Platz und Vieh getrennt, denn hier grasen tatsächlich Kühe und Schafe direkt auf dem Golfplatz. Aber dazu morgen mehr. Den Plan, noch schnell eine abendliche Runde zu spielen, gab ich auf und setzte mich stattdessen auf eine Bank am 12. Tee und genoß die Abendsonne am Meer.
Tja, die cycgo-Wertung? Aus aktuellem Anlass würde ich sagen, dass es den Bronzenen-Bahn-Brandbrief für pünktlichen und zuvorkommenden Fahrradtransport in Zügen gibt.
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