Nach dem Golftag ganz nach meinem Geschmack am Vortag kam ich nicht richtig in die Gänge. Ich hing noch eine Zeit in Brora herum, schrieb ein bisschen und gegen Mittag brach ich dann auf.
Als ich auf’s Rad stieg hatte ich immer noch nicht entschieden, was ich an diesem Tag überhaupt für ein Ziel haben würde. Möglichkeiten gibt es in dieser Gegend genug: Golspie (überwacht von dem interessanten „Mannie“ – da habe ich HIER mal von berichtet) ist gleich nebenan, das phantastische Dornoch auch nur ein paar Kilometer weiter die Straße runter. Als nächstes schließt dann Tain an. Normalerweise kann ich den Verlockungen von Dornoch nicht widerstehen. Noch dazu war es ein wunderschöner Tag mit blauem Himmel und genau dem richtigen Wind für Linksgolf. Nun, erstmal losrollen und der Rest wird sich dann finden. Schon nach einer knappen halben Stunde fand ich mich dann an der Promenade von Golspie wieder und saß dort für eine Dreiviertelstunde einfach herum und genoß den Sonnenschein. Das schien kein richtig sportlicher Tag zu werden, ein entspannter aber sehr wohl.
Als ich auf den Abzweig nach Dornoch zurollte hörte ich nochmal gründlich in mich hinein und stellte fest, dass ich mich heute einfach nicht in der golferischen Verfassung befand, um mich Dornoch zu stellen. Überraschend, diese Eingebung, den dieser Golfplatz ist etwas ganz Besonderes (HIER findet sich ein Bericht, den ich vor einiger Zeit über Dornoch schrieb).
Ich fuhr also noch ein bisschen weiter und beschloss, dass ich es heute mit einer Übernachtung in Tain versuchen würde. Tain ist – mal wieder ein bisschen Wikipedia-Wissen, das einem aber auch in Tain selbst überall entgegen springt – das älteste Royal Burgh in Schottland. Diesen Status erhielt die Stadt bereits im 15. Jahrhundert. Darüberhinaus und ebenfalls nicht zu übersehen, prägt die Glenmorangie Destillerie das Dorf, die nur wenige hundert Meter vor der Ortseinfahrt direkt an der A9 liegt. Und einen Golfplatz, wer hätte es gedacht, gibt es auch. Allgemein gilt dieser als eher untergeordnet in der Reihenfolge der Küstenplätze hier oben, selbst wenn der Club sich auf die Unterstützung von Old Tom Morris selbst beruft, der im späten 19. Jahrhundert Pläne für den Platz gemacht hat. Die Clubwebsite gibt aber freimütig darüber Auskunft, dass über 100 Jahre später nicht mehr sehr viel von der ursprünglichen Idee von Old Tom Morris, dem Gottvater des modernen Golfsports – dazu mehr, wenn ich nach St. Andrews komme -, übrig geblieben ist. Dennoch ist meine persönliche Meinung, dass dieser Platz in Bezug auf sein Layout sowohl Golspie, als auch Fortrose&Rosemarkie überlegen ist, was nicht jede Rangliste so sehen würde. Nahezu jedes Loch hat eine Besonderheit, höchstens zwei oder drei Löcher sind einfach geradeaus mit ein bisschen Ginster am Rand, wie es gar nicht einmal so selten auf Linkskursen passiert.
Eine kurze, aber durchaus harte Auseinandersetzung mit dem Wind, der mich in den kommenden Tagen noch einige Mal hart erwischen würde, brachte mich dann über die Dornoch Firth Bridge und direkt hinter dieser fand ich den Campingplatz für diese Nacht. Dort errichtete ich mein Zelt und mich überkam erneut der Wunsch, einfach zu sitzen. Ich erfüllte mir den Wunsch und trank eine weitere der seltsamen Nationalbrausen Irn Bru. Der Tag hatte einen seltsamen Fluss. Doch dann packte mich plötzlich doch noch der Aktionismus: Ich zog mich in aller Eile um und fuhr die 4 km zum Golfplatz. Es war nicht mehr viel Tageslicht übrig, aber wenn ich sehr zügig wäre, dann könnte es noch knapp klappen mit der Runde.
Als ich am Club ankam, war wirklich niemand mehr dort. Irgendwo auf dem Platz musste sich noch jemand herumtreiben, da ein Wagen auf dem Parkplatz stand, aber ansonsten war es mein Gelände. Ich müsste mich jetzt wirklich sehr anstrengen, um die Golfrunde in Tain aufregend darzustellen. Aber um ehrlich zu sein: Es war zügig und zugig, das war alles. Ich habe schlechtes Golf in kurzer Zeit gespielt und der Wind hat dazu sein Liedchen gepfiffen. Nichtsdestotrotz ein schöner Abend.
Der Campingplatz hier war im übrigen für zeltende Reisende zu dieser Jahreszeit sehr zu empfehlen. Es gab einen kleinen, aber geschützten Bereich für Zelte und die besten sanitären Einrichtungen auf einem Campingplatz meiner Reise. Und dann gab es noch eine recht aufregende Eigenschaft, besonders, wenn man um halb sechs in der Frühe ihrer gewahr wird: Mein Zelt hatte ich unmittelbar neben dem Zaun zur Rechten des Platzes aufgebaut. Wiederum unmittelbar daneben verliefen Bahnschienen. Es ist ein völlig unüberhörbarer Wecker, ein infernalischer Lärm, wenn ein Zug, der hier noch in voller Fahrt vor dem Bahnhof in Tain ist, zwei Meter neben dem Ohr vorbeirattert. Dieses Geräusch, das sich wenige Sekunden vorher durch Erschütterungen ankündigte, die mich aus dem Tiefschlaf geholt haben: Unvergesslich! Dass sich das gleiche dann noch zweimal in den kommenden beiden Stunden wiederholte, war gegen das erste Auftreten dann fast schon Gewohnheit – auch wenn es natürlich absolut unmöglich war, nicht aufzuwachen. Ich habe mich gefragt, wie oft man das erleben muss, damit man es nicht mehr zur Kenntnis nimmt.
Ich glaube, dass ich für diesen Tag den Mannie endlich von seinem Berg hole, verkleinere und als Pokal übergebe.