Die vorletzte Radetappe steht heute auf dem Programm mit dem Ziel North Berwick. Der Weg führt entlang der vom Tourismusmarketing so genannten Golf Coast, was irgendwie seltsam klingt, wenn ich meine Reise und die Anzahl der gespielten und passierten Plätze im Kopf Revue passieren lasse.

Dennoch ist der Name nicht völlig unangemessen, denn in der Gegend ist die Dichte an bedeutenden Plätzen schon extrem hoch. Neben North Berwick West Links, sind Gullane #1 (es gibt dort noch zwei weitere 18-Loch-Plätze) und vor allem das legendäre und exklusive Muirfield sicher die Hauptattraktionen. Aber auch neben diesen klassischen Berühmtheiten gibt es noch jede Menge Auswahl: Für Freunde von neuen Plätzen wäre der Renaissance Club eine Möglichkeit. Allerdings eine, die sich nicht so häufig im Leben bietet, wenn man nicht Mitglied oder Gast eines solchen in diesem Club ist. Denn das Angebot, das der Club unterbreitet, heißt nicht zufällig One Time Experience. Jedes Nicht-Mitglied darf nämlich einmal pro Leben den Platz spielen. Das klingt wie eine nette Geste, wenn man nicht zusätzlich darum gebeten würde, für die Runde 250 Pfund zu bezahlen. Nach meinem Empfinden ist das eine recht alberne Form der künstlichen Exklusivität. Da ist die rigorose Abgeschlossenheit von Cypress Point, Augusta und Konsorten irgendwie ehrlicher. Von Edinburgh kommend gibt es zu Beginn der Strecke noch ein herausragendes Stück Geschichte: Der Old Course in Musselburgh wurde lange als der älteste Golfplatz der Welt, auf dem noch gespielt wurde angesehen. Offensichtlich ist das mittlerweile revidiert worden und die Gralshüter der Weltrekorde, Guiness World Records, hat den Titel nunmehr dem -sicher besser vermarktbaren- Old Course in St. Andrews zugestanden. Jedenfalls ist der kleine Platz in Musselburgh, der aus heutiger Sicht allerdings nicht sehr schmuck ist, einer der drei Plätze, die die erste Gruppe bildeten, auf denen die British Open ausgetragen wurden, die anderen beiden waren St. Andrews und Prestwick. In irgendeiner Weise scheint das Thema, welcher Platz der älteste ist, noch nachzuwirken, denn die Website des Platzes trägt in der Titelzeile noch die Überschrift und es sind in den Tiefen des Internets noch Seiten von 2009 zu finden, die darauf hinweisen, dass Musselburgh gerade von Guiness den Titel zugesprochen bekommen hat. Hm, vor ungefähr zwei Sätzen habe ich begonnen, mich selber mit meinem Text zu langweilen. Wo ist Guido Knopp? Daraus ließe sich ganz bestimmt eine famose und erinnerungsrührige Abendunterhaltung produzieren.

Zurück zum Thema: Die Golf Coast of Scotland ist neben der auf der anderen Seite des Firth of Forth liegendenden Gegend rund um St. Andrews, die ich in den Artikeln zuvor beschrieben habe, und Ayrshire (Prestwick, Troon, Trumpberry, usw.) die Gegend mit den meisten Weltklasseplätzen in Schottland. Vielleicht kann die Gegend rund um Inverness noch mithalten, aber wie es auch sei: Der reißerische Titel ist nicht völlig aus der Luft gegriffen.

Ich fuhr an diesem Tag jedenfalls in Edinburgh los, frühstückte noch einen Happen und gab so dem Regen Gelegenheit, etwas Kraft zu entwickeln. Auf den schon erwähnten schönen Radwegen rund um Edinburgh ging es noch ganz gut, da sie oft von Bäumen beschirmt werden. Allerdings mehrten sich mit jedem Meter andere Hemmnisse: Röcke tragende Menschen. Nicht jeder von ihnen hatte ein besonders hochwertiges Exemplar mit dem uralten eigenen Familienclantartan, einige hatten sich auch für eine Frotteevariante aus dem heimischen Wäscheregal entschieden. Aber die meisten trugen ein T-Shirt. Und auf dem stand geschrieben: Kiltwalk Edinburgh 2018. Was zunächst eine eher zufällige Häufung von traditionsbewussten Spaziergängern in landestypischer Tracht zu sein schien, nahm dann irgendwann die Ausmaße mittlerer breitensportlicher Laufereignisse aus dem Ausdauerbereich an. Dazu gesellte sich eine nennenswerte Regenmenge, so dass der Zweitkaffee nach dem Frühstück eine gute Idee schien.

Auf dem Bild sitze ich im Trockenen und die berockten Wanderer sind in der Vergrößerung angedeutet:

In dem Café, das ich fand, als der Wunsch nach Trockenheit und Wärme gerade stark in mir wurde, sah ich eine Kalorienbombe, die selbst ich zu zünden für bedenklich halte: Zwei durchaus schlanke junge Damen aßen jeweils eine beträchtliche Portion türkisches Baklava. Schon das halte ich grundsätzlich für riskant - nur zur Erinnerung: Blätterteig wird mit Zuckersirup gesättigt, weitere Rollen spielen diverse Nüsse. Aber dazu noch eine doppelte Portion Sahne zu vertilgen hat mir wirklich Respekt abgenötigt.
Kurz darauf ging es weiter und die Masse der Kiltträger, die zu karitativen Zwecken an diesem Volkslauf teilnahmen, verschlang mich wieder, als ich an der Strandpromenade des Stadtteils Leith entlangrollte.

Einen weiteren Beweis für die Dichte an tollen Golfplätzen in dieser Region erhielt ich, als ich die Schilder wahrnahm, die auf die Scottish Senior Open hinwiesen. Als ich das dritte Schild passierte, realisierte ich, dass das Turnier nicht nur an diesem Tag stattfand, sondern auch noch direkt auf meinem Weg lag. Der Craigielaw Golfclub hatte die Spieler der Staysure-Tour zu Gast. Da blieb ich gerne ein paar Minuten stehen, um mich einmal mehr davon zu überzeugen, dass Golf im Zählspielformat nur unter ganz bestimmten Umständen ein Publikumssport ist. Aber lustig war es natürlich dennoch, denn keine Frage: Die Jungs hier nahmen wirklich ernst, was sie taten und ganz augenscheinlich konnten sie auch einen guten Ball schlagen, selbst wenn ich nicht bis zu den Spitzengruppen geblieben bin.

Weiter ging es durch Gullane, wo ich leider aufgrund eines kurzfristig anberaumten Rennens mit einem anderen Radfahrer die Abzweigung zum legendär prestigeträchtigen Muirfield übersehen habe. Aber auch ohne dieses oft gerühmte Filetstück kann man Golf in Gullane nur schwer übersehen. Ähnlich wie in Carnoustie oder St. Andrews ist der ganze Ort im Wesentlichen diesem einen Thema gewidmet. Drei Plätze, von denen zwei schon im 19. Jahrhundert gebaut wurden und der dritte ebenfalls schon ein paar Jahre bespielbar ist und 1910 eröffnet wurde, gehören zum hiesigen Club. Von hier aus waren es nur noch wenige Pedalumdrehungen, bis ich an meinem Ziel ankam.

North Berwick ist ein nettes Städtchen mit sechseinhalb Tausend Einwohnern. Der Ort wirkt schon auf den ersten Blick wie ein Urlaubsort für betuchte und erholungssuchende Edinburgher – oder wie auch immer die Bewohner der Stadt heißen mögen. Tatsächlich geht genau auf diesen Umstand, der sich im 19. Jahrhundert herauskristallisierte und der den zwei schönen Buchten, die der Ort hat, zu verdanken ist, die Errichtung der Goflplätze des Ortes zurück. Der berühmte West Links ist bereits 1832 eröffnet worden. Aber dazu und zu meiner Qualifikationsrunde für den West Links auf dem East Links, The Glen im nächsten Artikel mehr.

Dem heutigen Tag singe ich als Auszeichnung einfach ein Ständchen. Und was sollte es sonst sein, als der Gassenhauer des großartigen Udo Jürgens?

Kommentare   

#2 F.G.O 2018-10-23 09:37
Mein lieber Heiko, Deinen Zeilen entnehme ich, dass Du bald auf dem Heimweg bist. Als regelmässiger Leser dieses Interneterzeugnisses, der sich an den Beschreibungen Deiner Leiden erheitern durfte bedaure ich Deine Heimkehr auch etwas. Unabhängig davon viel mir auf, dass hier doch vieles unwidersprochen blieb und Du zum Teil sogar in Deinen verqueren Ansichten unterstützt wurdest, nicht zu Letzt von Kommentatoren aus Hamburg. Um dem Einhalt zu gebieten und um Dich wieder auf den Ernst und den gelebten Widerspruch vorzubereiten möchte ich Folgendes richtig stellen:

Sahne enthält knochenstärkendes Kalzium, fettlösliche Vitamine und Milcheiweiß. All das brauchst Du für die Gesundheit. Neueste Studien zeigen auch: Wer oft Milchprodukte mit vollem Fettgehalt genießt, hat seltener Diabetes 2. Sahne wirkt auf Deinen Säure-Basenhaushalt neutral und kann für eine basische Ernährung verwendet werden.

Ich freue mich auf bald.

F.G.O
#1 Markus Kremer 2018-10-22 22:24
Da deine Reise scheinbar langsam zu Ende geht: vielen Dank für deine anschaulichen Berichte. Ich hoffe, du hast die Reise ebenso genossen, wie ich letztes Jahr meine 5-Wochen-Tour in Schottland.

Derzeit sitze ich im Herbsturlaub mit dem Auto an der schottischen Westküste.

Gute Heimreise,

Markus

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